Ist diese Europa Tour und das
neue Album so etwas wie ein neues Kapitel in der History der Tony Levin
Band?
“Es
ist wirklich eine Art Sieg für mich, dass ich es endlich mit meiner
Band geschafft habe, nach Europa zu kommen. Wir touren jetzt schon so
viele Jahre , aber es hat bis heute gedauert, um meine Musiker nach
Deutschland zu bringen. Wir waren im vergangenen Oktober schon in
Italien für ein paar Stints, weil die Auftritte mit Peter Gabriel
davor, dort so ein Erfolg, speziell für mich, waren. – Und ja, auch
die Sologigs fanden dann ein großes Echo. Und nun haben wir es endlich
geschafft noch mehr Länder
zu buchen.
Meine neue ‚Resonator’ CD ist außerdem eine Riesenschritt in eine
Richtung, die ich mit all meinen vorhergehenden Alben nicht gemacht
habe. Und es gab schon so einige Platten. Dieses Mal singe ich zusätzlich
zu den Instrumental - Stücken bei einigen Tracks. Ich habe ziemlich
hart an den Texten gearbeitet für diese Rocksongs. Denn das sind sie
diesmal wirklich. Und ich
habe nicht einfach nur ein paar oberflächliche Worte auf die Musik
platziert. Noch ist das Album nicht draußen, und ich bin mir nicht ganz
sicher, wie die Leute, speziell, die, die mich von früher kennen,
reagieren werden. Aber ich könnte mir gut vorstellen, dass King Crimson
- und Peter Gabriel Fans die Überraschung, die ich parat habe, gut gefällt.
Wie lange gibt’s die Tony Levin Band jetzt. Und hat sich das
Line-up jemals geändert. Wer gehört denn nun aller dazu?
“Vor ca. 5 Jahren, ich weiß es nicht
mehr ganz genau, fingen wir als erstes an als ‚The Tony Levin Band’
zu touren. Das Band Line up ist immer noch dasselbe als zu Beginn. Nur
ist dieses Mal, und auch auf dem neuen Album, mein Bruder Pete Levin mit
dabei am Piano und an der Orgel. Pete hat in der Vergangenheit mit Annie
Lennox, Paul Simon und Jazzgrößen wie Gil Evans gespielt. Jerry
Marotta unser Schlagzeuger, den kennt man auch als Drummer von Peter
Gabriel und er spielte
auch noch mit einigen anderen Künstlern. Er singt sogar bei ein paar Stücken.
Jerry ist wirklich gut. Er wird live dann ein paar Gabriel- und sogar
Genesis Tracks zum Besten geben, die wir schon auf der Gabriel Tour
gespielt haben. Nur statt Peter, singt er das diesmal alles. Larry Fast
ist ebenfalls aus der Gabriel Band, aber auch von Nectar, und er hat
seine eigenen Synergy Scheiben. An der Gitarre ist dann schließlich und
endlich noch Jesse Gress, der eigentlich der Todd Rundgren Band angehört.
Wir sind alle sehr gute Freunde mit sehr viel Erfahrung aus der
jahrelangen Zusammenarbeit. Ihr werdet dann schon merken, wie viel Spaß
wir live on stage bei der Sache haben, während wir hoffentlich doch
auch sehr gute Musik für unser Publikum spielen.“
Du hast bislang drei Studioalben aufgenommen, eine Live CD und eine
Art Best of... Scheibe. Nun kommt das vierte reine Studiowerk. Eine
andere Richtung – bedeutet das auch ein komplett anderer Stil.
Und wann kommt das Teil bei uns heraus?
“Ich hoffe doch, dass die CD über
EMI-Deutschland noch im April vor unserem Eintreffen erscheint. Der
Titel der Platte ist ‚Resonator’, und es wird, trotz anderer
Richtung immer noch nach mir klingen, da ich nach wie vor in meinem Stil
schreibe. Aber es liegt diesmal sehr viel Humor in der Musik. Zum
Beispiel gibt es eine Heavy Metal Version von Katschaturians ‚Säbeltanz’,
und einen Song, wo mein Hund mit bellt. Er heißt ‚Throw The God A Bone’. Und
in einem Stück geht’s über das Heimkehren vom Mars. Auch die
Balladen ‚Utopia’ und ‚Fragile As A Song’, sind glaube ich,
etwas besonderes. ‚Fragile’ habe ich geschrieben aus einer Erfahrung
heraus, die ich mit Peter Gabriel gemacht habe, als wir einmal in
Atlanta zusammen mit zwei Affen im Studio gejammt haben. Die beiden
Viecher haben wirklich mitgemacht. Es war unglaublich.“
Hattest Du diese Stücke für das neue Album schon länger im Kasten,
oder erst kurz vor den Aufnahmearbeiten geschrieben?
“An den Texten habe ich, wie gesagt,
jahrelang geschrieben, an der Musik nur etwa ein Jahr. Ich habe diesmal
auch wesentlich länger gebraucht mit den Aufnahmen als sonst, weil ich
es noch perfekter hinkriegen wollte. Diese Musik hat es einfach
verdient.“
Hast Du selbst einen persönlichen Lieblingssong auf dem neuen Teil?
“Es ist immer sehr hart, einen Song
heraus zu suchen, weil sie einem alle nahe stehen. Und man verliert
dadurch die Objektivität. Wahrscheinlich wäre das Stück, dass ich mir
aussuchen würde, genau das, dass kein anderer wählte. Es ist sehr
eigenartig. Ich mag das Ding, weil es wahrscheinlich so experimentell
ist. ‚Crisis Of Faith’ ist ein Chor der sich aus 12 Stimmen
zusammensetzt, die eigentlich nur meine eigene ist. Und trotz des Textes
wird alles von einem wilden Drumsolo übertönt. Und wenn das wieder
abebbt, dann geh ich mit einem wüsten Cello Solo rein. Und das Ganze über
all diese Chorstimmen gelegt. Das ist es – nur Stimmen, Schlagzeug und
ein Cello.“
Gab es noch andere Gründe, zum Beispiel Touraktivitäten, die Deine
Solo Projekte so lange verzögert haben?
“Nun, der Hauptgrund war, wie ich schon
sagte, die Komplexität der Musik, und dass ich fühlte, ich müsse es
richtig machen. Aber das Leben besteht nicht nur aus Musik. Mein Vater
starb vor 16 Monaten. Und ich habe meine Mutter zu mir geholt, nicht im
selben Haus, aber sie wohnt in einem Domizil gegenüber, auf der anderen
Straßenseite. Und ich wurde von da an, so was wie ihr persönlicher
Altenpfleger. In anderen Worten, ich konnte nur an meiner Musik
arbeiten, wenn ich nicht gerade bei ihr war und sie gepflegt habe. Ich hätte
die CD fast ‚Bingo With Betty’ genannt, weil Betty, ihre Nachbarin,
sie immer an Donnerstagen abholt, um Bingo spielen zu gehen (zwei 90jährige
in einem Auto!) Und ich konnte genau an diesen Donnerstagen immer viel
mehr arbeiten als an anderen Tagen.“
Wird das Live Set jetzt hauptsächlich Material vom neuen Album
enthalten, oder ist die Show mehr nach dem Motto – Best of...
aufgebaut?
“Ich mag die goldene Mitte. Shows die
viel neues Zeug enthält, bekannte Klänge und auch Überraschungen. Ich
jamme auch ab und zu sehr gerne. Aber diesmal ist soviel Neues dabei,
das ich mit einbeziehen möchte, mit so vielen Optionen, dass
wahrscheinlich nicht viel Zeit für experimentelle Ausbrüche sein wird.
Also spielen wir einiges aus dem neuen Album, ältere Stücke, ein paar
Gabriel Songs, und ein bisschen Crimson. Vielleicht beginnen wir das Set
mit einem sogenannten Barbershop Quartet. Das ist etwas lustiges, und
Larry gibt ein Synergy Teil zum Besten. Vielleicht lassen wir auch ein
wenig Hendrix oder Zeppelin mit einfließen. So kann man sich ungefähr
vorstellen, wie der Gig sein wird. Aber die Hauptsache ist, dass die
Leute sehen, dass dort oben Musiker stehen, die mit Freude musizieren,
und die eine gemeinsame History verbindet in dem was sie tun.“
Wirst Du auch den berühmten Chapman Stick hervor holen? Und welchen
Bass spielst Du? Diese Frage ist vor allem für all unsere Musiker und
Fachleute unter den Lesern.
“Ja klar kommt der Stick zum Einsatz bei
einigen Stücken, die einem dann auch bekannt vorkommen werden. Dann
spiele ich noch einen Melodic Bass und das NS Electric Cello und natürlich
meinen guten alten 5 Saiten Music Man. Obwohl, auf dieser Tour benütze
ich auch oft den neuen 4 Saiten Stealth Bongo, ebenfalls von Music
Man.“
Du hast mit so vielen bekannten Musikern zusammen gearbeitet, und
bist mit Peter Gabriel auf Welttournee gewesen, und das nicht nur
einmal. Bitte versuche, eine kurze Retrospektive zu ziehen.
“Autsch, das ist hart! Um’s kurz zu
machen, die bekanntesten Alben, auf denen ich mitgespielt habe, waren
Platten von John Lennon, Pink Floyd, James Taylor, Paul Simon, Alice
Cooper und Lou Reed oder eben Peter Gabriel. Und ich war auf Tournee mit
King Crimson, Seal, Peter Gabriel und vielen anderen. Und dafür bin ich
sehr dankbar.“
Du bist jetzt schon so oft hier in Europa gewesen – on tour, jetzt
kommst Du auch mit der eigenen Band. Macht die Live Action für Dich
hierzulande einen großen Unterschied zum touren in den Vereinigten
Staaten ?
„Nun, es
macht sehr viel Spaß in Europa zu touren. Die Entfernungen zwischen den
Auftrittsorten sind viel geringer, und das Publikum ist so
unterschiedlich von Land zu Land. Man bekommt in Europa so viel mehr
Echo und Entgegenkommen. Und seien wir mal ehrlich, - Das Essen und der
Kaffee ist um Welten besser als in Amerika.“
Konzentrierst Du Dich jetzt vorerst ausschließlich auf Deine
Solokarriere. Oder gibt es bereits schon wieder Pläne für eine Tätigkeit
mit anderen Künstlern?
“Nein, bei King Crimson tut sich rein gar
nichts. Aber das kann sich jeden Moment ändern. Und Peter Gabriel hat
auch noch keine weiteren Pläne verlautbaren lassen. Also konzentriere
ich mich vorerst auf die Tony Levin Band und versuche unsere Musik
sovielen Leuten wie möglich schmackhaft zu machen.“
Gibt es einen musikalischen Traum, den Du bisher noch nicht
verwirklicht hast? Beziehungsweise gibt es einen Musiker, mit dem Du
noch nicht zusammen gearbeitet hast, aber Du es noch möchtest?
“Ich habe früher immer gesagt –
‚David Bowie’. Aber dann hatte ich die Chance bei einem seiner Stücke
den Bass einzuspielen. Also fällt das flach. Aber klar, es gibt noch so
viele großartige Musiker, mit denen ich gerne zusammen spielen würde.
Meine erste Wahl ist, wenn das noch möglich wäre, und ich ein bisschen
träumen darf, - Jimi Hendrix.“
Gibt es sonst noch anderweitige Zukunftspläne nach dieser
Europa-Tour?
“Nur, dass wir anschließend zurück
fliegen in die USA und noch viele weitere Shows spielen.“
Was denkst Du bezüglich der momentanen
internationalen Musiklandschaft?
Ich denke, es wird mehr denn je gute Musik
produziert. Das Problem ist hauptsächlich, dass man auch die notwendige
Aufmerksamkeit damit erzielt. Aber für mich ist in erster Linie immer
noch die Musik das allerwichtigste und nicht das Business. Somit ist es
eine gute Zeit für die Musik.
Abgesehen davon herrscht eine ungemein - unsichere politische Situation
in meinem Land. Und so etwas ruft oft spezielle Bewegungen hervor und
reflektiert dann sehr oft auf die Künstlergemeinde ab. Ich spreche da
in eigener Sache. Es waren die Ereignisse
und komplexen Situationen in Amerika so um 1999, als diese
anfingen mich wesentlich zu beeinflussen. Ich fing an zu schreiben, weil
ich das Gefühl hatte, ich konnte all das, was mich beschäftigte, nicht
mehr mit reiner Instrumentalmusik ausdrücken.“
Und wie sieht Dein Wunsch für die Zukunft aus?
Ich wünsche mir, dass all diese Konflikte
und Missverständnisse zwischen den Menschen auf dieser Welt
verschwinden würden. Ich habe das Glück, dass ich die Chance erhielt
rund um den Globus Musik zu spielen, und mich mit anderen Musikern auf
der Bühne verständigen konnte. Das sind Künstler, die nicht einmal
die selbe Sprache sprechen. Aber die gemeinsame Musik spricht sie und
erreicht auch die Menschen, die nur zuhören. Und es wird allen bewusst,
dass man etwas miteinander teilt. Es ist sehr wichtig, dass man das weiß
und sich auch immer wieder daran erinnert, besonders wenn uns die
verbale Sprache durch Streit und Differenzen fertig macht.
Ich für meinen Teil werde
mich auch in Zukunft auf
das Wunder Musik konzentrieren und meinen Fokus darauf setzen. Und ich
hoffe, dass diejenigen, die mit mir diese Leidenschaft teilen sich so
aus der Dunkelheit heraus katapultieren.
ebl
/ musicmirror
Die komplette Story über Tony
Levin findet Ihr in der Stories Section -
hier |